Todesurteile in Indonesien

Todesurteile in Indonesien
Der Tod im Live-Ticker
KOMMENTARvon Nina Belz 28.4.2015, 20:41 Uhr
Indonesien hat trotz internationalem Protest Drogendealer erschiessen lassen. Ihr Schicksal liefert Beweise, weshalb die Todesstrafe kein Mittel der Justiz sein kann. Kommentar von Nina Belz

Polizisten in Indonesien beobachten die Proteste gegen die Hinrichtung der neun Drogenhändler. (Bild: Achmad Ibrahim / AP)
Polizisten in Indonesien beobachten die Proteste gegen die Hinrichtung der neun Drogenhändler. (Bild: Achmad Ibrahim / AP)
«The final Countdown» lautete eine der Schlagzeilen, welche die mutmasslich letzten Stunden im Leben von acht Ausländern und einem Einheimischen in Indonesien dokumentierten. Sie waren wegen Drogendelikten zum Tod durch Erschiessung verurteilt worden, Gnadengesuche und diplomatische Interventionen blieben wirkungslos. Überproportional viel Aufmerksamkeit bekam das Schicksal zweier Australier. Zahlreiche Medien liessen die Angehörigen zu Wort kommen, die am Dienstag noch einmal auf die «Todesinsel» Nusa Kambangan gereist waren, um Abschied zu nehmen. Auf ihren Websites dokumentierten sie die Proteste vor indonesischen Vertretungen in Australien und zeigten die Gemälde, die einer der Todeskandidaten geschaffen hatte. Noch einmal wurden die Geschichten der Verurteilten erzählt und wurde hervorgehoben, wie sehr sie sich im Gefängnis gewandelt hätten – dass sie sich gegen Drogen engagiert, einen Bibelkreis gegründet und Kochkurse geleitet hätten.

Bezahlte Richter?

Der Todes-Countdown im Live-Ticker – und das dank Internet auf der ganzen Welt – wirkt zunächst reichlich abstossend und illustriert einmal mehr die selektive Betroffenheit, mit der Ereignisse wahrgenommen und eingeordnet werden. Schon von den vier nun hingerichteten Afrikanern weiss man nicht viel mehr als ihre Namen. Auch die Hinrichtung von sechs Drogenhändlern in Indonesien im Januar, unter ihnen ebenfalls fünf Ausländer, hatten nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit erfahren. Und die mehr als 200 Personen in Saudiarabien oder die mutmasslich Tausende in China, die allein im vergangenen Jahr exekutiert worden waren, tauchen allenfalls als nackte Zahl in einer Statistik auf.

Die Politik des neuen indonesischen Präsidenten Joko Widodo liefert aber medienwirksam Beweise dafür, weshalb die Todesstrafe kein Mittel für die Ahndung von Gesetzesverstössen sein kann. Indonesien kennt die Todesstrafe seit der Staatsgründung und unter anderem für Delikte wie Mord, Terrorismus, Korruption oder eben Herstellung, Handel und Besitz von Rauschgift. Seit dem Sturz des Autokraten Suharto 1998 wurde die Todesstrafe allerdings zurückhaltend angewandt. Zwischen 2009 und 2013 gab es ein Moratorium. 2013 wurden fünf Personen exekutiert, im vergangenen Jahr niemand. Widodo rechtfertigt seine harte Politik gegenüber protestierenden Diplomaten mit der Absicht, dem Drogen handel in Indonesien einen Riegel zu schieben . In dem Land sollen jeden Tag mehrere Dutzend Personen an den Folgen von Drogenmissbrauch sterben. Dass die Zahl der Händler in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat und es sich dabei auch noch mehrheitlich um Ausländer handeln soll, wie die Urteile suggerieren, scheint eher unwahrscheinlich. Widodo geht es offenbar darum, ein Zeichen zu setzen. Viel eher, als dass dies zum Erfolg führt, wird er damit wichtige aussen- und handelspolitische Partner verprellen: Unter den Todeskandidaten waren neben zwei Australiern und einem Brasilianer auch ein Franzose und eine Filipina. Australien, ein wichtiger Partner, hat bereits mit Massnahmen gedroht.

Schwer wiegt vor allem der von einem Anwalt geäusserte Vorwurf, wonach die Richter in dem Verfahren gegen die Australier Geld verlangt hätten, um eine mildere Strafe auszusprechen, dies aber nicht getan hätten, weil ihnen zu wenig bezahlt worden sei. Das wirft nicht nur ein Licht auf die Schwächen im indonesischen Justizwesen. Es illustriert auch das in jedem Fall bestehende Risiko, Unschuldige mit dem Tod zu bestrafen. In einem Land wie Indonesien, ohnehin für endemische Korruption bekannt, wiegt dies umso schwerer. Die Schuldfrage stellt sich im Besonderen bei der einzigen Todeskandidatin, einer dreissig Jahre alten Filipina. Die Mutter von zwei Kindern wurde 2010 auf dem Flughafen von Yogyakarta verhaftet, weil in ihrem Gepäck Heroin gefunden worden war. Sie beteuert, dass die Drogen ohne ihr Wissen in den Koffer gelangt seien. Vor dieser Gefahr warnen auch Reiseführer für Südostasien.

Gefängnis als Höchststrafe

Trotz den Mängeln im indonesischen Justizsystem dürfen die Fakten nicht verklärt werden. Einer der Nigerianer sagte, er habe geglaubt, mit dem Drogenschmuggel leichtes Geld verdienen zu können. Und den beiden Australiern wird zur Last gelegt, in einer Gruppe von neun Landsleuten federführend gewesen zu sein, die 2005 versucht haben sollen, mehr als acht Kilogramm Heroin von der Party-Insel Bali nach Australien zu schmuggeln. Das ist, wie sie später auch zugaben, kriminell. Und zudem ziemlich naiv in einem Land, das für seine drakonischen Strafen für Drogendelikte bekannt ist. Dennoch muss jahrelange Haft in einem indonesischen Gefängnis, wie sie ihre sieben Komplizen absitzen, Strafe genug sein. Der Entscheid über Leben und Tod soll nicht in der Hand eines Richters liegen – nicht in Indonesien und auch nicht in einem anderen Land dieser Welt.